“Der Lügner”














Quickchanges und Musik als Lügen - Das Konzept
Die Inszenierung zeichnet sich durch meine dramaturgische Verknüpfung der Musik und der Kernfrage des Lügens aus. Im Musical erscheint Musik, wenn eine Figur lügt, offen oder leugnend. Die Songs sind also nicht, wie im Musical häufig, zusätzlich zum Inhalt inszeniert, sondern sie sind die Geschichte, die erzählt wird. Wir begleiten den Lügner persönlich auf seiner Rachetour, die gar keine Rache ist, wie er selbst langsam feststellen muss. Der zu Beginn einschüchternde Mann, gewinnt das Publikum schnell mit seiner sanften und verletzlichen Art. Er will nicht nur die Geheimnisse von Familie Jedermann aufdecken und den alten Konflikt mit Oma Brigitte regeln, sondern sucht auch nach seiner verlorenen Liebe Anna.
Anna, wie der Rest der Familie Jedermann, lebt streng nach der Wahrheit - Lügen werden nicht geduldet. Dass sich damit alle etwas vormachen, versteht eigentlich nur Vanessa, die kleine Tochter, die Einzige, die die Familie und auch den Lügner wirklich durchschaut. Ihre Szenen bestechen durch überspielte Niedlichkeit und offensichte Intelligenz, wo hingegen ihr großer Bruder Johannes meint, das Lügenverbot mit übertriebener Selbstüberschätzung zu umgehen. Er lügt nicht nur sich selbst etwas vor, sondern spinnt seine Lügen vor allem beim Dating, was in einer lustigen Rollentauschszene mit dem Lügner endet. Warum Mutter Anna sich so auf die Wahrheit versteift, wird in jeder Szene mit dem Lügner deutlich – verletzte Liebe. Sie versucht ihm nicht nur aus dem Weg zu gehen, als er bei ihr einzieht, sondern vor allem, ihn und ihre Erinnerungen wieder loszuwerden, was ihr nur die schmerzhafte Vergangenheit ins Gedächtnis ruft. In nostalgischem Rückblick erfahren wir, was vor Oma Brigittes Intrige zwischen den beiden war, wie das Lügen auch zu Anna gehörte.
Auf der Bühne finden wir permanent einen witzigen und schnellen Szenenwechsel, jede Figur flüchtet selbst von ihren Lügen und hält dem Druck nicht stand. Explosiv wird es bei der Wahrheit der Oma Brigitte, welche ihre Lügen in Likör ertränkt. Ihre Unsicherheit überspielt sie in jeglicher Situation, bis sie sich am Ende selbst eingestehen kann, dass Muttersein, nicht völlige Kontrolle heißt. Hier entspinnt sich im Stroboskoplicht eine Gerichtsszene, mit eingespielten und verzerrten Dialogen mit Engelsgesang, um die Dramatik, ein Hobby des Lügners, zu verstärken.
Den größten Szenenumbau haben wir in der Pause. Im ersten Teil spielen wir in der gemütlichen, privaten Atmosphäre der Familie, in deren Küche sich der Lügner eingenistet hat. Der zweite Teil spielt in einer Mischung aus Park und nicht definiertem Raum, als Vergangenheit und Gerichtssaal. Die minimalen Veränderungen des Raumes gelingen durch wenige Handgriffe oft in der Szene, vom Lügner selbst instruiert, und einem farbigen Lichtkonzept.
Zusätzlich wichtiger Aspekt des Stückes ist die Rollenverteilung. Es gibt nur zwei Darsteller, der Lügner, gespielt von einem Sänger und eine junge Frau, welche alle anderen vier Rollen spielt. Die Mutter Anna, die Oma Brigitte, die Tochter Vanessa und den Sohn Johannes. Dieses Konstrukt löst sich durch Telefonate und Gespräche ins Off, zusätzlich leitet der Lügner durch die Situationskomik hindurch und läuft den Figuren, welche Backstage einen rasanten Quickchange hinlegen, immer hinterher.